Unsere Stadt hat mehr verdient!

DSC_0577„Der Großen Koalition ist die Lust am Gestalten vergangen, der Machterhalt geht vor. Schade, dass Berlin mit Lethargie und Lustlosigkeit schlecht verwaltet wird.“ Im Interview für die Bezirkszeitung „Grünen Aussichten“ zieht Ramona Pop eine Halbzeitbilanz der Berliner Legislaturperiode.

Wir haben jetzt Halbzeit in dieser Legislaturperiode. Wie schätzt Du persönlich die aktuelle Situation Berlins ein?

Zuerst sehe ich viel Positives in unserer Stadt. Die Weltoffenheit und Vielfalt Berlins ist einzigartig, viele Menschen kommen angezogen von dieser einmaligen Atmosphäre nach Berlin. Unsere Stadt wächst, Berlin befindet sich im Umbruch. Die Einwohnerzahlen steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Wirtschaft wächst. Es sind die Menschen, die diesen Aufschwung in unserer Stadt erwirtschaften. Er ist ein Verdienst der Berlinerinnen und Berliner – der alteingesessenen und der neu zugezogenen.

Berlin steht finanziell besser dar, wie kann man die Mehreinnahmen sinnvoll nutzen?

Nach einem harten Konsolidierungskurs erwirtschaftet Berlin wieder Einnahmen. Klar ist auch, dass die Schuldenbremse kommt. Doch mit den gefüllten Kassen muss auch die Gestaltung Berlins vorangetrieben werden. In meinen persönlichen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern wird mir immer wieder deutlich, was ihnen wirklich unter den Nägeln brennt: Die Angst, nicht mehr die Miete für die Wohnung bezahlen zu können, Schulen mit kaputten Toiletten oder der desolate Zustand von Straßen, Geh- und Radwegen sind nur einige Beispiele. Doch der Senat investiert nicht in die städtische Infrastruktur, für bezahlbaren Wohnraum oder eine bessere Bildungspolitik. Berlin soll sich nicht in finanzielle Abenteuer stürzen, aber eine wachsende Stadt kann nicht auf Verschleiß gefahren werden.

Aber warum gestaltet denn dann die Große Koalition nicht zukunftsorientiert unsere Stadt?

Na das sehen wir doch tagtäglich, Rot-Schwarz ist hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Die SPD sucht vergeblich einen Nachfolger für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Ihr Koalitionspartner, die CDU, duckt sich weg nach dem Motto: nur nicht auffallen. Der Großen Koalition ist die Lust am Gestalten vergangen, der Machterhalt geht vor. Schade, dass Berlin mit Lethargie und Lustlosigkeit schlecht verwaltet wird.

Schauen wir doch noch einmal auf das bis heute anhaltende Chaos am Hauptstadtflughafen BER. 

IMG_0064Die ganze Republik spottet über das BER-Debakel und die Unfähigkeit, den Hauptstadtflughafen endlich ans Netz zu bringen. Ein Eröffnungstermin steht immer noch in den Sternen, die massiven Kostensteigerungen auf knapp 5 Milliarden Euro sind vorprogrammiert. Bei Lärmschutz und Flugrouten wird weiter munter getrickst, Transparenz und Fairness den betroffenen Berlinerinnen und Berliner gegenüber lassen sowohl die Flughafengesellschaft als auch der Regierende Bürgermeister vermissen. Mehdorn wirft im Wochentakt eine Nebelkerze nach der anderen, Wowereit schweigt weiter und lässt die BürgerInnen und das Parlament im Dunkeln. Hauptproblem ist das mangelnde Expertenwissen im Aufsichtsrat, diejenigen, die den Karren in den Dreck geschoben haben, führen weiter die Aufsicht. Wir fordern daher seit Längerem die Einsetzung eines Expertengremiums, welches die Vorgänge am BER unter die Lupe nimmt und realistische Handlungsempfehlungen erarbeitet – damit es endlich vorangeht.

Die Große Koalition ist 2011 als Retter der Berliner Infrastruktur angetreten. Was hat sich seither getan?

file5201336372254Leider nichts, im Gegenteil: Rot-Schwarz lässt die Infrastruktur Berlins regelrecht verfallen. Auf den Straßen und Wegen holpert es gewaltig, Sporthallen müssen aufgrund von Einsturzgefahr geschlossen werden, die Krankenhäuser sind in teils erbärmlichem Zustand, wichtige Brücken werden gesperrt, weil sie die Belastung nicht mehr aushalten. Auch im öffentlichen Nahverkehr führen die unterlassenen Investitionen zu Einbußen. Doch Berlin wächst und benötigt eine moderne städtische Infrastruktur. SPD und CDU investieren gerade einmal 1,3 Milliarden Euro, die geringste Quote, die es je in Berlin gab. Unterlassene Investitionen rächen sich in der Zukunft. Je länger man wartet, umso teurer wird es letztendlich.

Viele Berlinerinnen und Berliner finden keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Wie geht der Senat dieses Problem an?

file211235655079Die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist mehr als angespannt, geradezu dramatisch. Wohnraum wird immer knapper und die Mieten steigen stetig. 30.000 bezahlbare neue Wohnungen hat Klaus Wowereit am Anfang der Legislaturperiode versprochen. Bis heute steht davon keine einzige den Berlinerinnen und Berlinern zur Verfügung. Man sieht zwar im ganzen Stadtgebiet Baustellen, doch meist von privat und für Gering- und Normalverdiener unbezahlbar. Der geplante Wohnungsbaufonds ist bis heute ein leeres Versprechen. Auch die Liegenschaftspolitik braucht eine Neuausrichtung mit Blick auf die soziale und kulturelle Entwicklung unserer Stadt. Dies wurde zwar vor Jahren beschlossen, leider ist hier aber auch nichts passiert.

Klaus Wowereit hat die Energiewende zur Chefsache erklärt. Wie sieht es mit der Umsetzung aus?

Wowereits „Chefsache Klimaschutz“ war eine Eintagsfliege. Ein Finanzierungskonzept zur Wärmedämmung öffentlicher Gebäude lässt weiter auf sich warten, ein Berliner Klimaschutzprogramm existiert erst gar nicht. Der letzte Platz Berlins im Bundesländervergleich bei den erneuerbaren Energien spricht für sich. Viel lieber beschließen SPD und CDU ein Stadtwerk, das diesen Namen nicht verdient hat. Nur ein echtes Klima-Stadtwerk mit einer vernünftigen Kapitalausstattung kann die dringend notwendigen energetischen Sanierungen von öffentlichen Gebäuden angehen.

Auch die Vergabe des Stromnetzes muss daran orientiert sein, welcher Bieter die energie- und klimapolitischen Ziele Berlins am besten fördern würde.

Wie sprachen vorhin schon über den desolaten Zustand von Wegen und Straßen, kommen wir doch gleich zur Mobilität. Wie steht Berlin in der Verkehrspolitik da?

file000105405731Das Thema Verkehr ist eine Dauerbaustelle. Das groß angekündigte Elektromobilitätsprojekt ist in der Versenkung verschwunden, der öffentliche Nahverkehr kämpft weiterhin mit großen Problemen. Aufgrund der Entscheidungsunfähigkeit der SPD erfolgte die Teilausschreibung des S-Bahn-Betriebs zu spät, ein ordentlicher Betrieb ist somit auch ab 2017 nicht in Sicht. Denn durch die späte Ausschreibung ist die Zeit zu knapp, um Neufahrzeuge anzuschaffen  massive Ausfälle und Verspätungen drohen. Außer dem A100-Autobahnausbau hat der Senat wenig zu bieten. Was Berlin jetzt braucht, ist eine integrierte Mobilität, eine Verzahnung der Verkehrsträger vom Fahrrad übers Carsharing bis hin zum ÖPNV.

Was ist Dein Ausblick auf die zweite Halbzeit der Legislaturperiode?

Berlin befindet sich im Umbruch. Aber von diesem Wachstum müssen alle Berlinerinnen und Berliner profitieren können. Die Berliner Politik muss zeigen, dass sie diesen Herausforderungen gewachsen ist. Die Menschen in Berlin werden sich auch nicht mehr die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung nehmen lassen, sie gehört mittlerweile zur politischen Kultur. Doch die Große Koalition feiert nur sich selbst. Wir Grüne haben in den letzten Jahren als größte Oppositionsfraktion wichtige Impulse gesetzt. Für die nächste Wahl nehmen wir das Rote Rathaus fest in den Blick. Wir werden hart daran arbeiten, uns für diese Aufgabe bei den Berlinerinnen und Berlinern zu empfehlen. Wir werden in die Kieze gehen, um mit den Menschen zu sprechen und zu diskutieren, was wir in Berlin bewahren und was wir verändern wollen. Denn unsere Stadt hat mehr verdient!

 

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